Züchterportrait: Nitschky-Germann Jörg

Wie bist Du zu Deinen ersten Vögeln gekommen?
Mein erster Vogel war ein Stieglitz, ein geschlossen beringter Vogel, den ich von meinem Vater geschenkt bekam. Ich war damals 6 Jahre alt.

An welche "Anfängerfehler" denkst Du aus heutiger Sicht mit Grauen zurück?
Keine speziellen. Jeder Fehler schmerzt, aber gerade die, die zum Tod eines Tieres führen, hinterlassen besondere Eindrücke. Natürlich sammelt jeder Züchter seine Erfahrungen, sei es bei der Fütterung oder der Erkennung von Krankheiten. Aus diesen Erfahrungen sollte man lernen, aber man muß auch von denen anderer lernen bzw. seine eigenen Erfahrungen weitergeben. Der größte Fehler ist Ignoranz.

Welche Vögel hältst Du heute und unter welchen Bedingungen?
Zur Zeit halte ich nur Zeisige, Mexico-, Schwarzbrust-, Bart- und Fichtenzeisige.
Alle Vögel sind (jetzt im Oktober) in der Freivoliere, haben aber die Möglichkeit in den Keller zu fliegen.

Die Haltung von Vögeln in Kellerräumen halte ich nicht für optimal, da Licht- und Temperaturverhältnisse (Belüftung, Luftfeuchte) im Keller schlechter sind als z.B. in Dachräumen. Meine Vögel waren lange Zeit auf dem Dachboden untergebracht, mussten aber vor zwei Jahren dann doch in den Keller umziehen.
Dort habe ich verschiedene Zuchtboxen, alle sind 120 cm tief, aber verschieden breit und beleuchtet. Die Trennwände kann ich heraus-nehmen, so daß ich dann einen Flugraum von etwa 8 m Länge schaffen kann.

Die Mexicozeisige verbringen den Winter in den Innenräumen, alle anderen, auch die Schwarzbrustzeisige bleiben in der Außenvoliere. Schon den letzten Winter haben die Schwarzbrustzeisige ohne Probleme in der Freivoliere verbracht.

Was ist für Dich an einem Käfig/einer Voliere besonders wichtig?
Gute Beleuchtung, und daß sie leicht zu reinigen ist. Natürlich sollten die
Vogelbehausungen groß genug sein, um den Tieren auch gewisse
Rückzugsmöglichkeiten zu bieten, Käfige mit nur 40 cm Tiefe sind nicht
ausreichend. Außerdem sollte darauf geachtet werden, daß natürliche Zweige eingebracht werden können.

Wieviel Zeit kostet Dich das Hobby Vogelzucht pro Tag/Woche?

Etwa 8 Stunden pro Woche, bei großen Reinigungsaktionen im Frühjahr und im Herbst, wenn die Volieren komplett desinfiziert werden, rechne ich ein ganzes Wochenende.

Durch die gute Zugänglichkeit meiner Käfige und Volieren ist die Zeit, die ich täglich zum Füttern und Reinigen benötige, recht gering. Während der Brutzeit brauche ich natürlich etwas mehr Zeit. Insgesamt habe ich leider nicht genug Zeit, um die Tiere ausgiebig zu beobachten.

Hast Du in all den Jahren schon einmal daran gedacht, die Vögel aufzugeben?

Ja, das war im letzten Jahr, nachdem mir meine Freivoliere leergeräumt wurde und ich dadurch bis auf die Mexicozeisige alle Vögel verlor.

Du warst lange Jahre Vorsitzender des ICC - was sind fuer Dich die wichtigsten
Fortschritte des Vereins aus dieser Zeit?

Der Verein ist in dieser Zeit größer geworden, wir haben zwar mehr Mitglieder bekommen, aber wirklich gewachsen ist der ICC damit nicht. Damit meine ich, daß viele Mitglieder nicht gleich Stärke bedeutet. In den ersten Jahren als Vorsitzendem war ich recht enthusiastisch, leider ging der Enthusiasmus dann verloren, was auch mit dem Red Siskin Recovery Project zu tun hatte.
Hier nämlich hätte der ICC erstmals öffentlich und im großen Stile Kompetenz beweisen können. Da allerdings von den USA aus das Projekt zum Erliegen kam, mußte das Projekt auch hier eingestellt werden. Danach hätte es für den ICC noch einige Möglichkeiten gegeben, an Projekten, z.B. Sachkundenachweis, mitzuarbeiten, aber bis auf ganz wenige Personen, die sich hier engagiert haben, war die Resonanz gering. Es war mir dann irgendwann auch klar, daß ich nicht mehr viel bewegen konnte, auch aus beruflichen und privaten Gründen, weshalb ich mich dann auch zum Rückzug in die zweite Reihe entschlossen habe.

Wie stehst Du zum Handel mit Wildfängen?

Solange Wildfänge unkoordiniert, so wie im Moment und den letzten Jahren eingeführt werden, bin ich gegen Importe. Gezielte Importe zum Aufbau von (unter-)artenreinen Zuchtstämmen würde ich befürworten, wenn bestimmte Voraussetzungen dafür erfüllt wären. Das sind sowohl schonende Fangmethoden, unverzüglicher und schonender Transport, fachgerechte Eingewöhnung und, sehr wichtig, die Weitergabe an solche Züchter, die sich bereit erklären, an einem Zuchtprogramm teilzunehmen. Es kann und darf nicht sein, daß gegen viel Geld Vögel gehandelt werden, nur um Egoismen (Besitzerstolz) zu befriedigen anstatt mit diesen Tieren Zuchtstämme aufzubauen und zu beweisen, daß wir Züchter doch unsere Beiträge zum Artenschutz leisten.

Welches ist Dein liebstes Vogelbuch?
Das ist die schwierigste Frage bisher! Es gibt so viele Bücher zum Thema
Vögel, die alle auf irgendeine Weise gut sind oder waren, nämlich zu der Zeit zu der sie erschienen sind.

Die besten für mich sind Karl Sabels Futterpflanzenbuch und die Handbücher der Cardueliden von Dr. Hans Claßen und Karl-Heinz Massoth. Claßen/Massoth tragen in den Handbüchern jede Menge Informationen aus vorangegangenen Publikationen zusammen und geben so einen guten Überblick über u.a. Haltung, Unterbringung, Fütterung und Zucht.

Welche Futterpflanzen wachsen in Deinem Garten?
Unausrottbares Knaulgras, Lein, Mohn, Nachtkerze, Chicorree, einjähriges Rispengras, Vogelmiere, Rainfarn, Beinwell, Feuerdorn, Eberesche, Sommenblumen, roter Sonnenhut und Borstenhirse.