Kapuzenzeisig

Bilder von Roland Dominsky, Pinzberg

Der Kapuzenzeisig ( Spinus cucullatus )


von Jörg Nitschky-Germann, 1995


 

Kaum eine Zeisigart ist so bekannt und in Züchterkreisen so beliebt wie der kleine feuerrote Kapuzenzeisig. Wahrscheinlich wird deshalb immer wieder darauf verwiesen, dass die Vogelliebhaberei Schuld daran trägt, dass dieser Vogel in Südamerika am Rande der Ausrottung steht. Sicher ist, dass trotz "strenger Schutzmaßnahmen" in Venezuele seit dem 2. Weltkrieg immer wieder auch größere Menegen Kapuzenzeisige haupt-sächlich über die niederländische Besitzung Curacao nach Europa geschmuggelt wurden ( Coats & Phelps 1985 ). Schon seit 1952 war der Kapuzenzeisig stark gefährdet, obwohl er noch zehn Jahre vorher relativ häufig auftrat ( Phelps 1952 ). Trotzdem wurden weiterhin für die Käfighaltung Vögel gefangen. Informationen aus den USA zufolge sollen noch 1993 und 1994 ( Gormann mdl. ) Kapuzenzeisige-Wildfänge  in kleiner Zahl nach Spanien gelangt sein.
Anfangs beschränkte sich der Fang auf die Monate Juli bis September, während in der Brutzeit, die mit der Regenzeit von Mai bis November zu-sammenfällt, nicht gefangen wurde, da sich die Kapuzenzeisige dann in schwer zugänglichem Gelände aufhielten. Erst mit der Erschließung dieser Gegenden und mit Hilfe moderner Fahrzeuge war es möglich, das ganze Jahr über zu fangen ( Coats & Phelps 1985 ). Obwohl es selbst in Venezuela verboten ist, diese Vögel zu halten, wird berichtet, dass diesem Verbot kaum  Beachtung geschenkt wird. So wurden von einem Feldornitologen 1984 in einer Autowerkstatt in Caracas zehn Kapuzen-zeisige in Käfigen an der Wand entdeckt ( Collar 1992 ).

Das ursprüngliche zusammenhängende Verbreitungsgebiet des Kapuzenzeisiges erstreckte sich von Kolumbien über Venezuela bis zu den vorgelagerten Inseln. Jetzt lebennur noch wenige Tiere in isolierten Gebieten in Venezuela. Die genaue Zahl der dort lebenden Exemplare ist nicht bekannt. Coats und Phelps ( 1985 ) schätzten die Restpopulation im Jahre 1982 auf ca. 600 - 800 Tiere. Diese Schätzung basierte auf eine 13 Monate dauernden Feldstudie im ursprünglichen Verbreitungsgebiet. 1993 berichtete Professor Antonio Rivero von einer weiteren Feldstudie, die 9 Monate dauerte und bei der im Staat Lara nur sieben Vögel gefunden wurden.

Lebensraum und Verhalten:

Der Kapuzenzeisig ist ein halbnomadisch lebender Bewohner von Hügelland und Berghängen in Höhen von 280m bis 1300m. Sein Lebensraum umfasst drei Vegetationszonen.
Trockenes Busch- und Grasland, laubabwerfende Wälder sowie feuchte, immergrüne Wälder.
Das Brutgebiet liegt in Höhen zwischen750m und 1300m, also in feuchten, immergrünen Wäldern. Diese Angaben beziehen sich auf das Beobachtungsgebiet in der Cordillera de la Costa (Coats & Phelps 1985, Coats & Rivero 1984).
Die Auswahl des Lebensraumes des Kapuzenzeisiges wird bestimmt von Futter- und Wasserangebot, aber auch vom Angebot an Singwarten (mind.  4m  über dem Boden), Schlaf- und Ruhebäumen (mind. 8 - 9m Höhe) und Nistmöglichkeiten (Coats & Rivero 1984).
Auch in Puerto Rico exestiert eine kleine wildlebende Population. Sie leben hier in trockenem Hügelland.
Im Beobachtungszeitraum 1981 - 1982 in der Cordillera de la Costa wurde festgestellt, dass Kapuzenzeisige außerhalb der Brutzeit viele Kilometer täglich zwischen den unterschiedlichen Vegetationszonen hin- und herwandern. Zur Futteraufnahme zogen die Vögel hinab ins Flachland um sich dann abends wieder an den gemeinschaftlichen Schlafbäumen einzu-finden. Rivero (1983) stellte fest, dass es Gegenden gibt, an denen sich Kapuzenzeisige nur zur Futteraufnahme aufhalten. Um diese Gebiete aufzusuchen, können täglich  Strecken von mehr als 50 km zurückgelegt werden. Mehr als 20 verschiedene Futterpflanzen für den Kapuzenzeisig wurden von Rivero (1983) beschrieben.

Fütterung, Ernährung mit einheimischen Futterpflanzen:

In den ersten Jahren der Kapuzenzeisighaltung traten große Verluste wegen falscher Fütterung auf. Häufig wurden sie nur mit mehlhaltigen Sämereien ernährt. Dann wurden die Fütterungsmethoden radikal umgestellt. Negersaat war auf einmal das Wunderfutter.
Neue Futtermischungen, die fast ausschlieslich aus Negersaat, dem Samen des Ramtil, eines Korbblütler ( Asteraceae ) bestanden, führten ebenfalls zu schweren Gesundheitsschädigungen.
Nach und nach haben Züchter, wie z.B. M. Blattner aus Oberstdorf dann Mischungen entwickelt und im Laufe der Jahre verfeinert, die den Bedürfnissen der Kapuzenzeisige entsprechen. Mehl- und ölhaltige Sämereien bilden eine ausgewogene Diat, die unseren Vögeln als Grundfutter dient. Zur Ergänzung dieses Grundfutters dienen im Sommerhalbjahr alle einheimischen Wildpflanzen, die z.B. auch Futterpflanzen des Stieglitz sind. Die Fütterung mit Grünfutter sollte sich nicht nur auf Vogelmiere oder gar Salatblätter beschränken. Rüdiger Becker, der im Herbst 1994 während der GTO-Tagung in Walsrode seinen Vortrag " Die Fütterung des Kapuzenzeisiges mit einheimischen Wildpflanzen" gehalten hatte, wird diesen Vortrag in Kürze in Schriftform veröffentlichen. Daher möchte ich mich an dieser Stelle nur auf allgemeine Angaben beschränken.
Ergänzend zu Grün- und Trockenfutter könnengerade während der Zuchtperiode noch Keim- und fertige Aufzuchtfuttermischungen geboten werden. Ausgewogene Keimfuttermischungen werden ebenfalls von spezialisierten Futtrehändlern angeboten. Hier sollten sie aber unbedingt vorher Futterproben anfordern, um die Keimfähigkeit zu testen.
Wenn Sie das Keimfutter ansetzen, achten Sie bitte darauf, es nicht 24 Stunden zu ertränken. Es genügt völlig, dass Futter etwa 4-5 Stunden zu wässern. Nach welcher Methode  das Futter gekeimt wird ist eigentlich zweitrangig. Wichtig ist, dass es nicht fault oder schimmelt.

Haltung:

Da der Kapuzenzeisig ein sehr verträglicher Vogel ist, kann er außerhalb der Brutzeit ohne Probleme mit anderen Vögeln zusammen gehalten werden. Dazu bieten sich Zimmervolieren aber auch, zumindest im Sommerhalbjahr, Freivolierenan, die mit Tannen-, Kiefern- u. Fichten-zweigen ausgestattet sein sollten. Selbst bei Freivolieren mit angeschlossenen Schutzräumen halten sich Kapuzenzeisige lieber draußen auf, als dass sie bei Wind und Regen den Schutzraum auf-suchen. Auch erste Nachtfröste scheinen ihr Wohlbefinden nicht zu beeinträchtigen. Vorraussetzung ist aber, dass sie sich morgens schnell wieder in der Sonne aufwärmen können. Kapuzenzeisige sollten nicht unter über einen längeren Zeitraum einer Temperatur unter 15° C  ausgesetzt werden. Auch feuchte, stickige Kellerräume sind für die Unterbringung nicht geeignet.
Besser geeignet dagegen sind gut beleuchtete Räume, je nach Größe mit einer oder mehreren Leuchtstoffröhren ausgeleuchtet und mit guter Belüftung, wobei Zugluft unbedingt vermieden werden muß.
Außerhalb der Brutzeit fliegen alle  meine verschiedenen Zeisigarten gemeinsam im Schwarm, zur Zucht aber werden die Paare einzeln in Boxen untergebracht, damit sie sich nicht gegenseitig stören können undein reibungsloser Brutablauf gewährleistet ist.

Zucht:

Da Kapuzenzeisige in Äquatornähe leben, hängt das Einsetzen der Brutstimmung von anderen Faktoren ab, als z.B. die unterschiedliche Tageslichtlänge während der Jahreszeiten bei uns. Auslöser zur Brut ist die beginnende Regenzeit und das damit verbundene Angebot an halbreifen und frischreufen Sämereien für die Jungenaufzucht.
Wir haben in unseren Volieren und Vogelstuben jedoch die Möglichkeit die Vögel über die Steuerung der Beleuchtungsdauer und  der Temperaturen sowie eines geänderten Futetrangebotes - Keim und Grünfutter - in Brutstimmung zu versetzen.
Nachdem sich die im Schwarm die Paare gefunden haben, werden sie in Zuchtboxen mit einer Mindestlänge von 60 cm untergebracht. Sinnvoller sind aber größere Boxen, die teilbar sind, um eventuell den Hahn heraus-zufangen, wenn er das Weibchen bei der brut stört oder um die Jungvögel abzusetzen.
Die Zuchtboxen sollten nicht zu dunkel sein, da Kapuzenzeisige helles Licht lieben. Deshalb ist es auch sinnvoll z.B. Kaisernester von außen anzubringen. Sie werden ebenso wie normale Kanariennistkörbchen sehr gerne angenommen.
Um brütende Weibchen ein Gefühl der Sicherheit zu geben,können die Nester mit künstlichem Grünzeug verkleidet werden. Sind die Kapuzenzeisige in Brutstimmung, dauert es meist nicht sehr lange, bis das Nest fertiggestellt ist. Das Weibchen baut alleine aus den bereitgestellten Nistmaterialien - Scharpie, Wollfäden, Sisal-, Kokosfasern, Tierhaare und Pflanzenwolle.
Der Nestbau wird häufig von heftigen Balzspielen unterbrochen. Feurig singend und mit hängenden Flügeln und gespreizten Schwanz verfolgt der Hahn die Henne, anschließend erfolgt die Begattung.
Nach der Fertigstellung des Nestes erfolgt die Eiablage. Die Gelegegröße kann zwischen 3 und 6 Eiern schwanken. Meist werden 4 Eier gelegt. Die Brutdauer beträgt 13 Tage. In den ersten Tagen nach dem Schlupf werden die Jungen ausschließlich vom Weibchen gefüttert, erst später beteiligt sich auch der Hahn bei der Aufzucht. Wurde der Hahn während der Brut vom Weibchen getrennt, zieht sie normalerweise problemlos die Jungtiere alleine auf. Im Alter von etwa 7 Tagen werden die Jungtiere beringt. Dies ist der Zeitpunkt,  an dem auch die Kotballen auf dem Nestrand abgesetzt werden und liegen bleiben. Das Nest wird jetzt also nicht mehr so peinlich sauber gehalten, weshalb auch die Ringe nicht als Fremdkörper erkannt und mitsamt den Jungen aus dem Nest geworfen werden.
Sind die Jungen etwa 17 Tage alt verlassen sie das Nest und werden noch zwei Wochen von den Eltern geführt. Danach sind sie selbständig und können abgesetzt werden. Ist der Hahn während der Aufzucht bei der Henne verblieben, hat sie zwischenzeitlich schon eine weitere Brut begonnen und dem Hahn die Fütterung der Jungtiere überlassen.

Red Skin Recovery Project(RSP) der American Federation of Aviculture

Im Jahre 1990 übernahm Kevin Gormann aus Rochester, USA, die Position des Direktors des Kapuzenzeisigprojektes. Er wandelte bestehende Konzeptideen um in das Red Siskin Recovery Project und initiierte die offizielle Informationszeitung des Projektes mit dem Namen SiskiNews. Gleichzeitig stiftete er alle seine 47 Kapuzenzeisige als Grundstock für da s Projekt. Duch Kontakte u.a. zu Sadie Coats gelangte er in den Besitz unersetzlicher Informationen z.B. Audio-Aufnahmen vom Gesang wildlebender Kapuzenzeisige. Sadie Coats, die vor einigenJahren Jahren verstorben ist, war eine Wissenschaftlerin, die sich ausschließlich mit wild-lebenden Kapuzenzeisigen beschäftigte. Das RSP besteht aus mehreren Gremien u.a. einem wissenschaftlichen Beirat, Züchterkoordinatoren sowie einem Corporate Advisory Board, das Kontakte zur Futtermittelindustrie (z.b. Kellogg ) hält, die das Projekt unterstützt. Professor Rainer Erhart, der aus Deutschland stammt, koordiniert RSP Aktivitäten, die auf Puerto Rico bezogen sind, David Waugh ist die Kontaktperson in Venezuela.

Ziele des Projektes sind:

1. Erhaltungszucht mit Hilfe moderner Computermanagements, um die genetische Variabilität der Zuchtstämme  langfristig zu waren.

2. DNA - Untersuchung der in Menschenobhut gehaltenen Stämme, um Mischlinge zu lokalisieren.

3. Feldstudien, um die verbliebene Zahl der Kapuzenzeisige zu ermitteln.

4. Schutzmaßnahmen in Venezuela und Puerto Rico, d.h. Aufklärung der dortigen Bevölkerung insbesondere der "Canarios ", der Vogelfänger. Einbeziehung der Fänger in das RSP als Feldbeobachter sowie als Führer von sog. Ökotouristen.

5. Bei greifenden Schutzmaßnahmen sollen in Menschenobhut gezüchtete Kapuzenzeisige zur Stützung der freilebenden Population ausgewildert werden.

Der Internationale Cardueliden Club ( ICC e.V.) hat bereits 1993 beschlossen, das Projekt zu unterstützen. In der Folgezeit nach dem Beschluß entbrannte dann innerhalb des ICC eine Diskussion über die Durchführbarkeit eines solchen Projektes, sowie über die Probleme, die aufgrund  von Mischlingszuchten und Domestikationserscheinungen auftreten. Unbestritten ist, dass in der Vergangenheit, teilweise aber heute noch Mischlinge zwischendem Kapuzenzeisig und anderen Zeisigarten, Magellan- und Erlenzeisig, gezüchtet wurden. Diese Mischlinge wurden dann weiter für die Zucht mit Kapuzenzeisigen verwendet. Nach und nach verschwanden die Mischlingsmerkmale und die daraus gezüchteten Tiere sahen aus wie"normale" Kapuzenzeisige. Soche Tiere sind jetzt fast unmöglich nach optischen Gesichtspunkten von reinen Tieren zu unterscheiden. Die einzige Unterscheidungsmöglichkeit dürfte der genetische Fingerabdruck ( DNA Test ) sein.

Nach diesen Einwänden des ICC hat sich  die Projektleitung in den USA entschlossen, solche DNA-Tests durchzuführen. Damit ist eine sichere Identifikationsmöglichkeit geschaffen.
Von vielen Züchtern wird allerdings die Existenz solcher Mischlinge bestritten, während andere Vogelliebhaber behaupten, dass es zu-mindestens in Europa keine reinen Vögel mehr gibt. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich wie immer  in der Mitte und muß mit Hilfe des genetischen Fingerabdruckes gefunden werden.Wie die Finanzierung hier bei uns in Europa dafür gewährleistet werden kann, wird derzeit innerhalb des ICC beraten. Eine Befürchtung im Zusammenhang mit dieser Diskussion ist, dass jetzt die Nachfrage nach wilden und reinen Kapuzenzeisigen steigen könnte. Wenn es uns jedoch gelingt, reine Kapuzenzeisige in unseren Reihen zu idendifizieren und eine Kontrollmöglichkeit über die Reinheit der Nachzuchten zu etablieren, sollte eigentlich keine Gefahr durch Fang mehr für die wildlebenden Kapuzenzeisige bestehen.

Natürlich dürfen im Falle einer Auswilderung nur 100 % reine Vögel verwendet werden, um die freilebende Population nicht zu gefährden. Bis zu einer Auswilderung ist es noch ein langer Weg, da bestimmte Vorraussetzungen dafür geschaffen werden müssen:
1. Die absolute Sicherheit vor erneutem Fang muß gewährleistet sein.
2. Die auszuwildernden Tiere müssen lange auf die Wildnis vorbereitet werden. Dies kann schon in den Volieren beginnen, indem wir versuchen, die bisher aufgetretenen Domestikationserscheinungen abzumildern und Kapuzenzeisige nicht mehr wie "bessere Kanarien" zu behandeln sondern wie richtige Wildvögel.

Kritik wird aber auch an der Aussage geübt, dass die Vogelliebhaberei für den Rückgang der Bestände verantwortlich ist. Vielmehr wären jetzt negative Umwelteinflüsse und die Umwandlung von Wäldern in Ackerland als Ursache dafür zu sehen. Kapuzenzeisige sind eigentlich Kulturfolger, d.h. dass sie von einer solchen Umwandlung eher profitieren, da sie auf Ackerbrachen genügend Futter finden. Das Problem liegt aber eindeutig darin, dass weiterhin gefangen wird, wenn auch nicht in großen Mengen für den Export, sondern eher um den "Eigenbedarf" in Venezuela zu decken. Jeder Vogel, der jetzt noch gefangen wird, bringt den Gesamtbestannd an den Rand ihrer Existenz. Wir in Europa, weder Spanien noch in Holland oder Deutschland, sollten mit den Beständen, über die wir verfügen, eigentlich zufrieden sein, denn auch nach einer Absonderung nicht reiner Vögel sollte unser Genpool noch groß genug sein, um auf Dauer die Existenz von reinen Kapuzen-zeisigen bei uns zu sichern.

Jörg Nitschky-Germann, 1995